Sabine Dächert + Annita Romano
Annita Romano (Brasilien/Paris) und Sabine Dächert (Frankfurt); so unterschiedlich ihre Techniken und Vorgehensweisen sind, so sehr verbindet sie das Verhüllen und Enthüllen, Aufeinanderschichten und Demontieren. Sie verweben hauchzarte oder dichte Materialien und lassen transparente Zustände und die Spuren der Zeit sichtbar werden.
Im Mittelpunkt der Ausstellung steht eine gemeinsame Arbeit beider Künstlerinnen. Sie teilen sich einen 100 Jahre alten Leinenstoff, der ehemals durch eine Naht verbunden war. Er wurde bei der Flucht aus einem ungarisch-deutschen Dorf kurz nach dem Zweiten Weltkrieg gerettet und dient nun als Interpretationsfläche. Die als zutiefst traumatisch erlebte Vertreibung und Heimatlosigkeit thematisieren die Künstlerinnen nicht dokumentarisch. Während Annita Romano ihre persönliche Geschichte erzählt, setzt sich Sabine Dächert mit dem Schicksal einer Vertriebenen auseinander, die bis heute in ihrer Erinnerung lebt.
Die Spuren der traumatischen Ereignisse können auch Jahrzehnte später sichtbar werden. Ein Dialog der Künstlerinnen zwischen Zeiten, Orten und Kulturen.
Sabine Dächert hinterfragt in ihren Arbeiten die künstlerischen Grenzen zwischen Fotografie, Grafik und Malerei. Mit transparenten Materialien gestaltet sie vielschichtige Objekte, die sie im Studio fotografiert. Transparenz macht sichtbar was sonst im Verborgenen bleibt. Hauchzart sind die Chinapapiere, auf denen durch den Transfer von Fotografien Collagen entstehen. Die verschiedenen Schichten enthüllen und verhüllen zugleich. Mit der Cyanotypie, dem Blaudruck, gelingt ihr eine Annäherung an die analoge Fotografie und die Malerei. Ihr Überschreiten von Grenzen kommt auch in „TRACES OF TIME“ zum Ausdruck. Die Schau handelt vom Rhythmus und der Dynamik der Zeit. Nicht die Messbarkeit der Zeit, sondern die inhaltliche Qualität des Moments und die Suche nach der Zeitlosigkeit stehen für sie im Fokus.
Spuren von Bewegung und damit Spuren von Zeit bringt Sabine Dächert in ihren Bildern zum Ausdruck. So ist Wasser ein Sinnbild für stetige Bewegung und den ewigen Fluss der Zeit. Spiegelungen auf dem Wasser verbinden das Innen und Außen klar oder verzerrt. Selbst in gefrorenem Wasser ist noch Bewegung sichtbar.
Annita Romano: Through a deep reflection on the space-time connections in a work of art, Brazilian Annita Romano develops her expression as a metaphor for the act of sewing. For nearly twenty years she runs free and instinctively through her fabrics, piercing their souls with threads and needles, ultimately revealing a fragile ripped, loose, unfulfilled wholeness. The gestures are slow, infinitely repeated… By overlapping her personal memory and individual stories, she compulsively ties, unties, orders, dismantles, creates and destroys: she sews what we hide, what we deny and barely remember. Her work is a reflection on existence and identity in an ephemeral, fragmentary and discontinuous moment.
“Even if every single thread has its metaphorical significance, sewing is not as much the goal as it is a reflection on the fundamentals elements of art and life. My work is a way to ‘tie’ myself to life itself, to give a meaning to it, to leave a trace, a form of truth and liberation. That’s probably a foolish human impulse to endure, when the disturbing message is that life is fleeting, we are alone in this world, we hurt each other, we grow, get old and forget. And none of this can be captured, not even trough Art. But working points me to freedom and faith; to a state of ecstasy and surrender. And yes, after all, only hope remains.”
For the exhibition “Traces of Time”, Annita – currently living in Paris, presents colourful assemblages, framed by airy structures, hanging in the middle of the space. The fabrics are worn, translucent, bared; dyed with earth, leaves and roots. This apparent fragility conceals an appeal to the ‘one’, to the ‘us’. It’s an invitation to experience the thickness of her own sewn intimacy and to find the traces that testify her truth.
