Siegfried Räth
In Siegfried Räths Malereien entdeckt man Figuren, die unerklärlich handeln oder bewegt werden, Gegenstände, die sich in rätselhaften Beziehungen zu diesen Figuren befinden, oder Raumbühnen, die man nicht fassen kann und die nicht nach den Regeln der Perspektive und Schwerkraft zu funktionieren scheinen. Manches Bildarrangement wirkt auf den ersten Blick ironisch und witzig, andere Bildzusammenstellungen legen den Gedanken an ein erinnerndes Reisen in eine unbegreifliche Vergangenheit nahe. Immer aber stellt sich die Gewissheit ein, dass die in den Bildern dargestellten Dinge als Chiffren dienen, die mit einer gewissen Dringlichkeit auf etwas tief Ernstes unter ihrer erheiternden oberflächlichen Erscheinung verweisen wollen. Dem Betrachter erschließt sich der verschlüsselte Sinn des Werks sicher nicht sogleich, ja, er bleibt ihm möglicherweise sogar dauerhaft unzugänglich. Zumindest ist es schwer, – und dies liegt ganz in der Absicht des Künstlers – den Sinn, die Botschaft des Werks in eindeutige Worte zu fassen. Man kann aber allgemein sagen, dass menschliche Zustände, menschliches Streben und menschliche Beziehungsgeflechte seit langen Jahren die zentralen Themen der Kunst Siegfried Räths sind. Seine Sujets behandelt er in einer Malerei, die von einer flexiblen und hellen postmodernen Bildsprache bestimmt wird. Laufen seine großformatigen Werke zu nahezu unübersichtlich komplexer Vielfiguralität auf, reduziert er sich auf den kleineren Formaten auf wenige, sehr pointierte Schilderungen. Bildelemente erscheinen auf den Bildflächen in unterschiedlichen Ausprägungen, einerseits stilisiert als monochrome Silhouetten oder quasi „durchsichtige“ Farbkonturzeichnungen, andererseits ganz naturalistisch als Körper mit einem hohen plastischen Ausarbeitungsgrad. Deren ungleiches Nebeneinander im Bild versteht Räth als Ausdruck verschiedener Realitäts- und Zeitebenen. Vor allem über die Farbe gelingt es ihm, die auseinanderfallenden Formgebungen zu vermitteln und zu einer visuellen Einheit zu binden. Der Künstler legt Wert auf eine kraftvolle und ausdrucksstarke Farbgebung, die aber, statt direkt ins Auge zu springen, eher „klanghaft“ und subtil ihre Wirkung auf die Sinne entfaltet. Alle Bildform stammt aus der inneren Vorstellungswelt des Malers, nahezu nichts ist von Fotografien abgenommen, nur weniges durch ein Naturstudium unterstützt. Die Schwierigkeiten im Begreifen einer Form aus der reinen Erinnerung, in ihrer Ausformung und Verdeutlichung ohne ein äußeres Vorbild nimmt Räth gern in Kauf. Er betrachtet das aus dem Kopf Entspringende und zuweilen Entrissene, betrachtet die imaginierte Form als eine Setzung von größerer Wahrhaftigkeit, weil sie aus dem Fundus innerer, ganz eigentümlicher Lebenserfahrung stammt.
Siegfried Räth pflegt keinen Stil, er greift bewusst auf alle verfügbaren Mittel einer zweitausendjährigen Bildkultur zurück, in deren Tradition er sich sieht. Sein künstlerisches Arbeiten ist erprobend und entwickelnd – es gibt keine vorgefassten Pläne oder Vorab-Klärungen über Skizzen, denen er in der Ausführung folgen würde. Die Figuren, Dinge und Räume im Bild entfalten sich oft erst nach einem langen Prozess zur endgültigen inhaltlichen und formalen Stimmigkeit. Dann aber sind sie sehr tiefgründig.
Die Ausstellung wird in Anwesenheit des Künstlers in der Galerie Artlantis eröffnet.